Lights Out

Lights Out – Das Grauen aus dem Radio

Mitternacht. In der Gruselstube ist es still geworden. Schlaflos seufzend legst du eine alte Schallplatte auf, die du in einer kleinen verstaubten Kiste gefunden hast. „Lights Out“ steht als Titel auf der Hülle, darüber der Name Arch Oboler. Als kratzend die ersten Worte erklingen, wird der Titel wahr und das Kerzenlicht im Raum verlischt.

„Lights out, everybody“, ist am 10. Juni 1936 um Mitternacht auf dem Radiokanal von NBC zu hören. Zwölf unruhige Glockenschläge erklingen, dazu die gepressten Worte: „Es ist später, als Sie denken“. Danach folgt die Begrüßung durch den Gastgeber: „Hier ist Arch Oboler mit einem weiteren Stück aus unserer Reihe von Geschichten über das Ungewöhnliche. Und wieder einmal warnen wir Sie, denn die Geschichten in ‘Lights Out‘ sind sicherlich nichts für empfindliche Seelen. Wenn Sie also leicht zu erschrecken sind, bitten wir Sie höflich, aber nachdrücklich, Ihr Radio auszuschalten – jetzt!“

In dieser Nacht wird die erste Sendung von „Lights Out“ ausgestrahlt, die von Arch Oboler geschrieben wurde und unter seiner Regie stattfindet. Er hat die Show von Wyllis Cooper übernommen, der sie zwei Jahre zuvor kreiert und bei den ersten Sendungen Regie geführt sowie die meisten Skripte verfasst hatte.

Von Wyllis Cooper zu Arch Oboler

Coopers Geschichten zeichneten sich durch schwarzen Humor und blutrünstige Tode, bisweilen aber auch durch überraschende Wendungen aus. Träume von der Vergangenheit offenbarten sich als Zeitreisen und Ich-Erzähler enttarnten sich als bereits Verstorbene, die nun als Geister das Geschehen beobachteten. Diese Geschichten und der Erfolg von „Lights Out“ weckten das Interesse der Filmindustrie. Im Juni 1936 ist Cooper bereits nach Hollywood umgezogen und schreibt dort unter anderem das Drehbuch für „Frankensteins Sohn“. „Lights Out“ hat er an den jüngeren Arch Oboler übergeben.

Dieser ist 26 Jahre alt, als er das erste Mal das Intro der Sendung spricht. „Burial Service“ schildert, wie eine junge Frau lebendig begraben wird, da man sie für tot hält. Das Ende ist so hoffnungslos, dass zahlreiche Beschwerden der Zuhörenden eingehen. „Burial Service“ wurde nie wieder ausgestrahlt, aber das Skript kann bei der Library of Congress angefordert werden. Während das Publikum die verzweifelten Schreie der vermeintlich toten jungen Frau hören kann, als der Sargdeckel geschlossen wird, bleiben der Mutter die verblüfften letzten Worte des Stücks: „Ach Gott, aber sie sah noch so lebendig aus.“

„Burial Service“ bleibt nicht die einzige Folge von „Lights Out“, die erschütternd endet. „The Dark“ beschreibt einen dunklen Nebel, der Menschen ausweidet, die mit ihm in Berührung kommen. Das irre Lachen eines Opfers sowie die verzweifelten Schreie des Protagonisten erzeugen eine beklemmende Atmosphäre. In „Chicken Heart“ sorgt für die aufwühlende Stimmung ein durchgehendes Herzschlaggeräusch, das die bizarre Geschichte begleitet, in der ein Experiment eskaliert und ein unendlich wachsendes Hühnerherz schließlich die Erde zerstört. Bis August 1939 erscheinen unter Obolers Regie 146 Episoden, von denen heutzutage mehrere Aufnahmen online verfügbar sind

„Lights Out“ wird zum Erfolg

Diese innovativen Ideen sind es, die Arch Oboler zum bekannten Radio-Autor werden lassen. Das Horrorgenre wird ihm als Nische zu klein. Von 1939 bis 1940 bringt er Filmstars wie Ingrid Bergman, James Cagney und Katherine Hepburn ins Radio und nimmt mit ihnen mehrere Hörspiele auf, wenn auch nicht für „Lights Out“. Die Show pausiert in jener Zeit, auch wenn hin und wieder Wiederholungen zur Geisterstunde ausgestrahlt werden. 

Arch Oboler treibt zu dieser Zeit ein ganz realer Schrecken um. Mit zunehmender Sorge beobachtet er, der Sohn jüdischer Einwanderer aus Litauen, den Aufstieg von Faschismus und Antisemitismus in Europa. Immer wieder reicht er bei den Senderchefs antifaschistische Skripte ein, stößt bei ihnen aber auf taube Ohren. Dies ändert sich erst, als die USA im Dezember 1941 in den Zweiten Weltkrieg eintreten.

Auf einmal sind Obolers Stücke gefragt. In der Reihe „Plays for Americans“ werden seine antifaschistischen Stücke ausgestrahlt, die sich jedoch zunehmend in militaristische Propaganda wandeln. Oboler ist überzeugt von seiner Mission, die US-Bevölkerung auf den Krieg einzuschwören. Er arbeitet sogar kostenlos, muss also auf andere Weise Geld einnehmen.

Die Schrecken des Krieges

Aus diesem Grund startet er ab dem 6. Oktober 1942 „Lights Out“ erneut. Auf CBS werden Remakes bekannter Oboler-Stücke wie „Chicken Heart“ ausgestrahlt. Aber auch neue Geschichten werden produziert, die den tobenden Krieg aufgreifen, ihn jedoch um übernatürliche Schrecken erweitern. In „Execution“ ordnet ein Nazi-Offizier im besetzten Frankreich nach einem Anschlag die Hinrichtung von 50 Frauen an.

Mit zunehmendem Grauen stellt er fest, dass jede der Frauen, die lächelnd zum Galgen schreitet, genau so aussieht, wie jene, die vor ihr gehängt wurden. Nach und nach richtet sie eine Botschaft an den Offizier, die in einem Nachwort von Arch Oboler auf den Punkt gebracht wird: „Die Nazis können Menschen töten, aber niemals die Freiheit.“ Aufrufe, sich freiwillig zum Militär zu melden oder Kriegsanleihen zu kaufen, rahmen die Sendung ein und verbinden sich somit mit ihrer Handlung. 

Ein knappes Jahr später, im September 1943, wird die letzte Folge von „Lights Out“ auf CBS ausgestrahlt. Neuere Sendungen wie „Inner Sanctum“ und „Suspense“ setzen sich durch. Nach dem Krieg kehrt die Show noch einige Male zurück. Doch sie ist inzwischen zu einem Nostalgie-Produkt geworden, wärmt alte Skripte von Wyllis Cooper und Arch Oboler auf.

„Drop Dead. An Exercise in Horror“

„Lights Out“ wird zu einer Marke, über die man rückblickend spricht. Eine Sendung, die an eine Zeit erinnert „when Radio was King!“, wie eine Annonce aus dem Jahr 1962 verkündet. Neuaufnahmen klassischer Arch-Oboler-Stories erscheinen gesammelt auf einer Schallplatte namens „Drop Dead. An Exercise in Horror!“

Ein letztes Mal wendet sich Arch Oboler an sein Publikum. „Hier spricht Arch Oboler. In einer schrecklichen Zeit, in einer furchtbaren Welt, hat man mich gebeten, Sie abermals zu erschrecken; in guter Absicht natürlich. […] Monster, Geister, die Toten; wer lässt sich heute schon noch davon erschrecken? Sie nicht – oder doch? Denken Sie jemals an die Untoten, die sich geisterhaft unter den Grabsteinen scharen? Die ruhelosen Toten, Millionen von ihnen unter der Erde. Wollen wir mal etwas versuchen? Schalten Sie ihre Lichter aus. Ja, alle.“ Bei den nächsten Worten bricht seine Stimme leicht, klingt beinahe belustigt. „Lights Out, everybody“.  

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Beitragsbild gestaltet mit canva.com 

Fußnoten

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